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Happy End der NBA-Odyssee?: Toronto Raptors sind schockverliebt in Dennis Schröder

Happy End der NBA-Odyssee? Toronto Raptors sind schockverliebt in Dennis Schröder

Nationalmannschaftskapitän Dennis Schröder startet in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in seine 11. NBA-Saison. Bei den Toronto Raptors soll der pfeilschnelle Neuzugang nicht nur die Mängel im Kader überdecken, sondern auch die Effekte des deutschen WM-Golds replizieren.

Fast 50 Tage ist es mittlerweile her, dass Dennis Schröder die deutsche Basketball-Nationalmannschaft zur sensationellen Goldmedaille bei der FIBA-WM in Manila führte. Ein nach wie vor surrealer Triumph, den sich der Braunschweiger unverändert mit täglichen Video-Highlights und Textnachrichten an seine deutschen Teamkollegen auf Dauerschleife ins Gedächtnis ruft.

Heute Abend startet der 30-Jährige in seine elfte NBA-Saison. Nach bisher sechs Profistationen (Atlanta, Oklahoma City, Los Angeles (zwei Mal), Boston und Houston) und zuletzt wenig professioneller Stabilität hofft Schröder, in Toronto eine langfristigere sportliche Heimat gefunden zu haben. Traut man den Worten und Eindrücken der ersten Wochen in der kanadischen Metropole, passen Schröder und diese Raptors nahezu perfekt zusammen. Egal, ob als Wortführer, Anführer oder "Vibes-Kapitän", der sich mit Teamkollege Pascal Siakam beim Fußballspielen aufwärmt und gute Laune verbreitet - Schröder scheint auch in Toronto Rückenwind zu genießen und die Dinge zum Positiven zu verändern.

"Sie lieben hier seine Persönlichkeit und seine Art", erklärt Raptors-Experte Blake Murphy von "Sportsnet" gegenüber ntv.de. "Er kann hochkantig sein, aber das liegt an seinem unbedingten Siegeswillen. Das lieben sie hier. Er hat bereits begonnen, Führungsqualitäten zu übernehmen, auch als Mentor für die Jüngeren im Team. Seine Professionalität sticht ebenfalls heraus. Insgesamt ist er ein sehr gutes Investment für die Raptors, sowohl für diese Saison als auch mit Blick in die Zukunft."

Ex-Champs am Scheideweg

Vier Jahre ist es jetzt her, dass die Toronto Raptors recht sensationell den NBA-Titel gewannen. Gegen das schier übermächtige Superteam der Golden State Warriors setzten sich die Kanadier mit 4:2 durch und gewannen den bislang einzigen Titel der Franchise-Historie. Seither ist viel passiert. Stars und Leistungsträger wie Kawhi Leonard und Kyle Lowry verließen den Klub, Präsident Masai Ujiri versucht den in dieser Liga beinahe unmöglichen Spagat zwischen Neuaufbau und Wettbewerbsfähigkeit im Hier und Jetzt.

Nach dem sensationellen Titel 2019 stand Toronto Kopf.
Nach dem sensationellen Titel 2019 stand Toronto Kopf.

Nach dem sensationellen Titel 2019 stand Toronto Kopf.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Die letzten Überbleibsel des Meisterschaftsteams, Pascal Siakam, OG Anunoby und Chris Boucher, tauchen immer wieder in Trade-Gerüchten auf, während der Rookie des Jahres 2022, Scottie Barnes nur langsam in seine Rolle als künftiger Franchise-Anker hinein wächst. Im Vorjahr überschatteten interne Querelen, miese Stimmung und eine noch schlechtere Halbfeld-Offensive eine Saison, in der die Kanadier zum zweiten Mal in drei Jahren die Playoffs verpassten - nach zuvor sieben Teilnahmen in Folge. Der Basketball, den sie zeigten, war oft statisch, von Einzelaktionen und viel Egoismus geprägt. Der Mangel an effizienten Distanzschützen war offensichtlich. Der Druck, zu gewinnen, war immens hoch - wie so oft, wenn Protagonisten eines ehemaligen Meisterteams in Führungsrollen bleiben, die Chemie alter, glorreicher Zeiten jedoch längst verpufft ist.

Im Sommer verließen dann sowohl Championship-Coach Nick Nurse als auch der langjährige Starter auf der Point Guard Position, Fred VanVleet, das Team. Nurse coacht mittlerweile in Philadelphia, VanVleet ging zu den Houston Rockets. Ujiri hätte sich am liebsten auch gleich von Siakam und Anunoby getrennt, buhlte zwischenzeitlich sogar um Megastar Damian Lillard, der jedoch bei den Milwaukee Bucks landete. Ujiri sondierte den Markt - und wurde in Schröder fündig. Der Deutsche unterzeichnete einen Zweijahresdeal über 26 Millionen US-Dollar.

"FIBA-Dennis" und Rajakovic

Auf den Guard-Positionen sind die Raptors dünn besetzt, ausreichend Spielzeit scheint für "Dennis The Menace" also bereits vorprogrammiert. Der sportliche Fit steht ebenfalls außer Frage. Der Hauptgrund für seinen Wechsel nach Toronto sitzt jedoch an der Seitenlinie: der neue Head Coach Darko Rajakovic. Die beiden schätzen sich schon lange, lernten sich bereits 2018 bei den Oklahoma City Thunder kennen. Schröder war in jenem Sommer aus Atlanta gewechselt, Rajakovic fungierte als Assistenztrainer in OKC. Der Serbe war der Erste, der Neuzugang Schröder und dessen Familie willkommen hieß und zum Essen einlud.

"Ich habe ihn vor fünf Jahren getroffen, und wir wurden Freunde", erinnert sich Schröder. "Ich mochte schon damals, wie er mich und das Team coachte. Als er hier in Toronto anheuerte, rief er mich sofort an. Ich sagte zu meinem Agenten: Ich will da hin." Rajakovic legt viel Wert auf Spielfluss, Ball- und Spielerbewegung. Sehr europäisch, für- und miteinander spielen, Räume kreieren, uneigennütziger "Team-first"-Basketball. Alles aus einer aggressiven Verteidigung heraus, um dann ansatzlos ins Laufen und zu leichten Punkten zu kommen. Wenn das so klingt, als sei es die perfekte sportliche Situation für den Braunschweiger Profi, dann weil sie es auch ist.

Beide Männer vereint jedoch mehr als nur ihre gemeinsame Zeit bei den Thunder. Beide lieben offene, direkte und ehrliche Kommunikation (Schröder nimmt bekanntlich kein Blatt vor den Mund, auch wenn es hier und da mal krachen sollte), beide stellen das Team in den absoluten Mittelpunkt, beide sind absolute Familienmenschen. Rajakovic glaubt fest an seinen neuen Starting Point Guard: "Er hatte bisher nicht die Gelegenheit, sein gesamtes Potenzial abzurufen", sagt der Coach. "Mal war er Starter, dann wieder nicht... Ich glaube, in seinem Spiel steckt mehr, als er bisher in der NBA zeigen durfte. In der deutschen Nationalmannschaft hat man gut sehen können, dass er ein Team exzellent anführen kann."

Sechste NBA-Station seit 2018

Inzwischen hat Schröder Unmengen an Erfahrung in den verschiedensten Situationen eingesammelt. International ist er nach den Erfolgen der letzten Jahre längst über jeden Zweifel erhaben. In der NBA musste er sich immer wieder umgewöhnen und an das Nomaden-Leben eines soliden Profis akklimatisieren. Nach fünf Jahren bei den Atlanta Hawks, die ihn 2013 an 17. Stelle drafteten, wechselte er 2018 nach Oklahoma City, spielte dort an der Seite der Superstars Paul George, Russell Westbrook, Chris Paul und Shai Gilgeous-Alexander. Danach wechselte er zu den Los Angeles Lakers, wo er mit LeBron James und Anthony Davis zusammen auf dem Parkett stand. In Boston waren Jayson Tatum und Jaylen Brown seine Kollegen in der Startformation, ehe er in der Vorsaison erneut im Lakers-Dress auflief.

Bei den Hawks war Schröder 2017/2018 Topscorer.
Bei den Hawks war Schröder 2017/2018 Topscorer.

Bei den Hawks war Schröder 2017/2018 Topscorer.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Er hat in seinen bisher zehn NBA-Jahren so gut wie jede Rolle ausgefüllt, vom Starter und Topscorer seiner Mannschaft (19,4 Punkte pro Partie in Atlanta, Saison 2017-18), zum Edelreservisten (Platz zwei bei der Wahl zum Sixth Man of the Year 2019-20), zum Kombo-Guard und tertiären Spielmacher, zum Rollenspieler an der Seite einiger der besten Spieler der Liga. Zum ersten Mal seit Hawks-Tagen werden ihm in Toronto wieder Aufgaben als primärer Spielgestalter und Anführer zuteilwerden – wie das auch im deutschen Nationalteam seit vielen Jahren der Fall ist.

Für Schröder zählt in erster Linie das Team: "Ich habe schon so einiges durchgemacht", sagt der 30-Jährige. "Ich bin einfach nur dankbar, dass ich immer noch hier in der NBA bin und in mein 11. NBA-Jahr gehen kann. Ich habe drei gesunde Kinder, eine tolle Ehefrau, eine Familie, die in Deutschland auf mich wartet. Es ist mir egal, wie meine Rolle genau aussehen wird. Ich tue alles, um dem Team zu helfen. Wir haben hier tolle Typen, einen super Trainerstab, und versuchen uns jeden Tag gemeinsam zu verbessern. Wir sind hier Profis, spielen zusammen und haben alle nur ein Ziel: gewinnen. Das war in diesem Sommer bei der Basketball-WM auch so, und ich versuche, hier etwas Ähnliches zu etablieren."

"Werden überraschen"

Einige der Dinge, die die Raptors besonders an ihm schätzen, sind sein defensiver Biss sowie seine Fähigkeit, mehrere Rollen auszufüllen. Er wird starten und mit seiner Geschwindigkeit Lücken für die Mitspieler reißen. Die Raptors haben nicht viel Spacing im Angriff. Er wird also mal am Ball, mal abseits des Balles agieren, aus Handoff-Aktionen oder aus dem Pick-and-Roll direkt in die engsten Räume und in Richtung Korb beschleunigen und versuchen, selbst zu punkten oder für seine Teamkollegen zu kreieren - wie man das auch bei der Basketball-WM bestaunen konnte.

Dort wurde Schröder nach 19,1 Punkten und 6,1 Assists im Schnitt bekanntlich zum MVP gekürt, zum wertvollsten Spieler des Turniers. "Ich denke, das passt alles hier hervorragend zusammen", sagt der deutsche Kapitän. "Wir wollen hier so spielen wie in unserer Nationalmannschaft. Ich kann den Ball ein bisschen mehr behandeln und uns ins Laufen bringen. Der Stil dieser Truppe gefällt mir und liegt mir gut. Wir wollen robust verteidigen und dann aus unserer Defensive schnell nach vorne spielen, den Ball verteilen. Es erinnert mich alles ein bisschen ans deutsche Team. Wir müssen uns nur ein wenig mehr aneinander gewöhnen, dann können wir schon etwas erreichen."

Nach dem Finalsieg der Deutschen in Manila ließ Schröder den Basketball erst einmal links liegen, fasste wochenlang keinen Spalding an. Zwei ganze Monate war er mit dem deutschen Tross pausenlos unterwegs gewesen, Trainingslager, WM ... all das musste erst einmal überwunden werden. Erholen, erneuern, reflektieren. Jetzt will der Braunschweiger den Schwung und den sportlichen Erfolg mit in die neue NBA-Saison nehmen. In der Preseason blieben die Raptors ungeschlagen. Nicht, dass Vorbereitungsspiele viel Aussagekraft hätten; Schröder jedoch überzeugte mit 23 Vorlagen bei nur acht Ballverlusten in 85 Testminuten. "So weit, so gut. Diese Truppe hat es mir bisher einfach gemacht, mich zu akklimatisieren. Ich kenne die Coaches, fühle mich schon jetzt pudelwohl. Ich liebe das Team, den Klub. Wir werden überraschen ..."